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Der Mann, der zu den Steinen sprach

In einem Dorf am Ende des Tals lebte ein Mann, der war sehr still. Er war so still, dass er mit niemandem je ein Wort geredet hatte. Wahrscheinlich konnte er einfach nicht in Worte fassen, was in ihm vorging oder was ihn bewegte.
Eines Morgens entschied der Mann, einen Spaziergang zu machen. Er war froh, dass er den Leuten entfliehen konnte, die ihn einen komischen Kauz, einen Spinner nannten und mit dem Finger auf ihn zeigten.
Als er schliesslich an einem Fluss ankam, setzte er sich an dessen Ufer. Er nahm einen hässlichen grauen Stein in seine Hände, der abseits von den anderen Steinen lag und sprach zu ihm: „Es scheint, als hätten wir das gleiche Schicksal“, begann er traurig, „ von dir denken auch alle, dass du kalt und ohne Gefühle bist, dass man deine harten Kanten nicht schleifen kann und dass du gar nichts zu sagen hast.
Bei mir ist das genau so. Doch die Menschen haben sich nur noch nicht die Mühe gemacht uns anzuschauen, unsere Ecken und Kanten zu schleifen und mit uns zu reden.
Wenn sie das getan hätten, wüssten sie nämlich, dass ich kein schlechter Mensch bin, genau so wenig wie du kein schlechter Stein bist.
Wir sind nur still. Aber ist es denn so schlimm, ein ruhiger Mensch, ein ruhiger Stein zu sein?!“
Und mit hängendem Kopf ging der Mann davon, hinter sich lassend den Stein, der den Tränen nah war.

Die hier gezeigten Texte sind Eigentum der Künstlerin und dürfen ohne Ihre Genehmigung nicht weiter verwendet werden. die Fotos wurden zum Teil von www.wix.com zur Verfügung gestellt

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