

Von der Kunst des Mitgefühls
Mitgefühl und Mitleid liegen so nah beieinander und gleichzeitig sind sie Lichtjahre voneinander entfernt. Empfinde ich Mitleid mit jemandem, dann leide ich buchstäblich mit. Das Leid des anderen oder auch das eigene nimmt den ganzen Raum ein und lässt keinen Platz für eine konstruktive Lösung oder einen anderen Blickwinkel.
Empfinde ich aber Mitgefühl, dann fühle ich mit, ich kann nachvollziehen, was die andere Person durchmacht, aber ich muss es nicht selbst durchmachen.
Mitgefühl für die eigene Person kann vielfach eine heilende Wirkung haben. Man anerkennt, was man alles durchgestanden hat, was schief gelaufen ist, aber man versinkt nicht in den alten Gefühlen und Mustern, sondern akzeptiert die Misserfolge und Verletzungen der Vergangenheit und kann gestärkt der Zukunft entgegentreten.
Indem man mit der Vergangenheit Frieden schliesst, ist man plötzlich frei und offen für Neues. Und das Leben wird einem freundlicher und gnädiger vorkommen.
Mitgefühl für einen anderen Menschen zu empfinden, kann das Vertrauen zueinander stärken und das Verhältnis intensivieren.
Indem man sich in jemanden hinein versetzt und sich der Gefühle des anderen bewusst ist, gelangt man auf eine ganz andere Ebene der Kommunikation. Und plötzlich erfährt man auch vom Gegenüber Mitgefühl und Verständnis.
Die Welt wird zu einem sichereren Ort, wenn wir Mitgefühl zulassen und die manchmal hauchdünne Linie zum Mitleid nicht überschreiten.
Denn wenn wir für jemanden Mitleid empfinden, setzen wir die Fähigkeiten des anderen herab und wir fühlen uns überlegen und erhaben über die andere Person. Oder wir leiden so mit, dass das Problem - das eigentlich nicht uns betrifft - plötzlich zu unserer Sorge wird. Wir fühlen uns deswegen schlecht und suchen nach einer Lösung.
Doch den verschlungenen Weg aus einer schwierigen Situation, muss immer derjenige finden, den sie betrifft. Auch wenn das manchmal noch so unmöglich erscheint, lernt man doch aus den dunklen Zeiten mehr über das Leben und das, was wirklich zählt.
Lange Zeit habe ich eine grosse Menge Mitleid für all die Menschen, denen schreckliches widerfahren ist und die schlimme Schicksalsschläge zu verarbeiten hatten empfunden. Ab und an bemitleidete ich auch mich selbst.
Doch als ich vor ein paar Monaten anfing, intensiv an mir zu arbeiten, erkannte ich, wie hinderlich Mitleid sein kann und wie heilend sich echtes Mitgefühl anfühlt.
Indem ich mit meinen Mitmenschen und mir selbst mitfühle, erfahre ich plötzlich so viel mehr Zuneigung und Intensität, dass diese Erkenntnis mein Leben so viel lebendiger und echter gemacht hat.
Es ist auch nichts Verwerfliches daran, mit sich selbst mitzufühlen. Es hat eher etwas mit Selbstvertrauen und Selbstliebe zu tun und damit, sich selbst wohlwollender zu behandeln.
Und wenn man das geschafft hat, ist man fähig, mit den Menschen mitzufühlen und die Welt wird zu einem zu Hause, indem wir uns gegenseitig respektieren und verstehen. Einem zu Hause wo wir einander zuhören und uns gegenseitig aufbauen. Und wo wir Schutz finden vor den Stürmen des Lebens.